Praxis für Psychosomatische Medizin
Psychotherapie - Psychoanalyse


Dr. med. Bernhard Palmowski, Berlin

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Forum Psychoanal (1992) 8:134-146

Forum der Psychoanalyse

© Springer-Verlag 1992

Zur Bedeutung von Scham und Selbsterleben für Indikation und Verlauf in der analytischen Gruppenpsychotherapie

Bernhard Palmowski, Berlin



Zusammenfassung.
Die analytische Gruppenpsychotherapie hat seit ihren pragmatisch-experimentellen Anfängen eine breite Entwicklung genommen und gilt heute als etablierte psychotherapeutische Behandlungsmethode mit eigenem theoretisch-konzeptionellem Hintergrund, spezifischen Wirkfaktoren und abgegrenztem Indikationsbereich. Eine Reihe von Untersuchungen weist jedoch darauf hin, daß die Zahl der Patienten, die ihre Behandlung erfolglos beenden, in der Gruppenanalyse deutlich höher liegt als in den einzeltherapeutischen Verfahren. In der vorliegenden Arbeit soll die Bedeutung von Schamkonflikten sowie gestörtem Selbst- und Selbstwerterleben für Indikation und Verlauf untersucht werden. Hiervon ausgehend folgen Überlegungen zur Praxis unter besonderer Berücksichtigung von Vorbereitung und Einleitung der Behandlung.


On the significance of shame and feeling of self for indication and course in
analytic group psychotherapy

Summary. Analytic group psychotherapy has seen broad development since its pragmatic-experimental beginnings and ranks today as an established method of treatment with a theoretical-conceptional background of its own, specific effective factors and a defined range of indication. Several studies, however, point out that the number of patients terminating their treatment without success is clearly higher than in individual psychotherapy. In the paper presented, the significance of conflicts involving shame as well as disturbed feeling of self and selfesteem is examined. With this as a starting point follow considerations for practice with special regard to preparation and introduction of treatment.




In der Geschichte der Psychoanalyse mag es ein kühnes Experiment gewesen sein, als man es unternahm, psychisch erkrankte Patienten in Gruppen zusammenzufassen und die Behandlung in die Hände eines Gruppenleiters zu legen. Man verließ damit die Vorstellung, daß eine psychotherapeutische Behandlung nur im Kommunikationsprozeß zwischen dem einzelnen Patienten und seinem Behandler erfolgreich sein könnte.

Die Notwendigkeit zur Entwicklung neuer Therapieverfahren bestand bereits für die Mitarbeiter der Poliklinik des 1920 von Eitingon und Simmel gegründeten Berliner Psychoanalytischen Instituts. Sie sahen sich mit einem erheblichen Zustrom behandlungsbedürftiger Patienten konfrontiert, die aufgrund der begrenzten Möglichkeiten nur zum Teil versorgt werden konnten (Lampl 1930). Die Behandlung wurde damals ausschließlich in Form von Einzelanalysen durchgeführt (Fenichel 1930). Wie Eitingon (1930) bedauernd mitteilt, war die unter dem Druck der zahlreich wartenden Patienten erfolgte Suche nach methodischen Weiterentwicklungen zunächst ohne Ergebnis geblieben.

Es war Margarete Seiff (1951), die 1949 am Berliner Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen der Versicherungsanstalt Berlin die für Deutschland erste analytische Therapiegruppe zusammenstellte. Hierbei handelte es sich um acht ältere Patientinnen mit chronifizierter Symptomatik, die als prognostisch ungünstig eingestuft worden waren. Während drei Patientinnen die Therapie vorzeitig beendeten, nahmen die übrigen fünf eine sehr positive Entwicklung, die überraschenderweise über das hinausging, was nach den bisherigen Erfahrungen mit Einzeltherapie zu erreichen gewesen wäre (Fuchs-Kamp 1959). Aufgrund dieses ermutigenden Erfolgs wurden bis 1951 bereits 13 kontinuierlich arbeitende Gruppen eingerichtet. Man gelangte zu der Überzeugung, nun über ein neues, nicht nur bezüglich Zeit und Kosten sehr wirtschaftliches, sondern auch hinsichtlich des Behandlungserfolgs hochwirksames psychoanalytisches Therapieverfahren zu verfügen (Fuchs-Kamp 1959/60). Foulkes, einer der ersten Pioniere der analytischen Gruppenpsychotherapie in Europa, hatte bereits 1948 auf diese beiden, vor allem im Hinblick auf die praktische Versorgung wichtigen Aspekte, hingewiesen.

Hinsichtlich der psychoanalytischen Theoriebildung verdient ein weiterer Aspekt besondere Beachtung. Die zunehmende Berücksichtigung sozialpsychologischer Gesichtspunkte in der Psychoanalyse ist sicherlich im Zusammenhang mit der breiten Entwicklung der analytischen Gruppenpsychotherapie zu sehen. Die Arbeiten des Sozialpsychologen Kurt Lewin zur Gestaltpsychologie und Feldtheorie waren beispielsweise für Foulkes von großem Interesse und beeinflußten die Entwicklung seines gruppenanalytischen Konzepts in grundlegenden Bereichen (Pines 1979). So standen für Foulkes die Analyse der individuellen Psycho-
dynamik vor dem Hintergrund transpersonal wirkender Kräfte des sozialen Feldes und die Erfassung der Gruppe als ganzem mit ihrem komplexen Netzwerk sprachlicher und nichtsprachlicher Kommunikation im Vordergrund. Der sowohl psychoanalytische als auch sozialpsychologisch orientierte Ansatz von Heigl- Evers und Heigl, von dem wichtige Impulse für die Entwicklung der analytischen Gruppenpsychotherapie in Deutschland ausgingen, steht in seiner Würdigung des einzelnen Patienten und der Betonung des interaktiv-
kommunikativen Zusammenspiels der Gruppe dem gruppenanalytischen Konzept von Foulkes nahe (Heigl-Evers 1978).



Indikationsstellung und Behandlungsabbruch in der Gruppenanalyse

Trotz eines außerordentlich umfangreichen Schrifttums ist bisher nur von sehr wenigen Autoren der Versuch unternommen worden, die Wirksamkeit dieser relativ neuen Methode empirisch zu überprüfen (Luborsky et al. 1975). Die geringe Zahl vorliegender kontrollierter Studien bezieht sich überwiegend auf Kurzzeit-
therapien, mit einer Dauer von z. T. nur einer Woche. Auch handelt es sich bei den untersuchten Personen meist nicht um Patienten im engeren Sinne, sondern um freiwillige Probanden (Bednar u. Kaul 1971). Die vorliegenden klinischen Mitteilungen sind aufgrund der sehr unterschiedlichen Randbedingungen und ihres eher kasuistischen Charakters kaum miteinander vergleichbar (Dührssen 1964). Darüber hinaus fehlen systematische Untersuchungen, welche die Gruppenpsychotherapie mit den anderen analytischen Behandlungsmethoden kritisch vergleichen, fast vollständig.

Auf besondere Schwierigkeiten stößt somit die Frage der Indikationsstellung. Die Empfehlung zur Gruppenbehandlung wird in der Regel auf eher vager, intuitiver, impressionistischer Grundlage gegeben. Zwar scheint über einige wenige Kontraindikationen wie akute Suizidalität, gröbere Verwahrlosung oder sexuelle Perversion allgemeine Ubereinstimmung zu bestehen, im übrigen fehlen jedoch empirisch begründete Richtlinien (Kadis et al. 1974; Heigl 1972). Das Spektrum reicht von Fenichel (1946), der einer Gruppenbehandlung grundsätzlich die Wirksamkeit der Einzelanalyse abspricht, bis zu Foulkes (1964), der ganz allgemein nur für den Fall einer spezifischen Kontraindikation einem Patienten Gruppenbehandlung vorenthalten und ihn einer Einzeltherapie zuführen würde. Darüber hinaus schenken Gruppentherapeuten, die eine Gruppe überwiegend als einem Einzelpatienten analoge Einheit betrachten, dem Problem der Differentialindikation kaum Aufmerksamkeit (Bion 1961; Argelander 1963/64). Andererseits messen jedoch Analytiker, die mehr die Rolle des einzelnen betonen und die Gruppe als soziales Netzwerk sehen, der Wahl des geeigneten Behandlungsverfahrens für einen bestimmten Patienten eine erhebliche Bedeutung zu (Foulkes 1948; Heigl-Evers u. Heigl 1968). So sieht König (1979) in der empirischen Untersuchung der Wirksamkeit der gruppentherapeutischen Konzepte bei bestimmten Krankheitsbildern eine der wesentlichen Zukunftsaufgaben der analytischen Gruppenpsychotherapie.

Die weitgehend gleichwertige globale Wirksamkeit von Einzel- und Gruppenbehandlung in der ambulanten analytischen Langzeittherapie psychoneurotisch erkrankter Patienten ist in der vergleichenden katamnestischen Studie von Dührssen (1964) belegt. Es zeigt sich jedoch, daß die Zahl der die Behandlung vorzeitig beendenden Patienten in der Gruppentherapie mit 25% deutlich höher liegt als in der Einzeltherapie mit 15%. In einer Studie zur Frage des Behandlungsabbruchs kommt Stille (1984) mit 27% bzw. 19% zu einem ähnlichen Verhältnis. Grotjahn teilt in einer retrospektiven Untersuchung von Patienten mit Therapieabbruch für von ihm geleitete Gruppen eine über Jahre weitgehend konstante Rate von 35% mit (Grotjahn 1972). Eine detaillierte Durchsicht einiger anderer, annähernd vergleichbarer Evaluationsstudien zur analytischen Gruppenpsychotherapie ergibt ähnliche, zum Teil jedoch noch erheblich höhere Zahlen. In der Arbeit von Sethna und Harrington (1971) verlassen knapp 70% der Patienten die Behandlung vor dem geplanten Ende. Dick (1975) gibt 31% an. Bei Malan et al. (1976) findet sich für die Tavistock-Klinik eine Rate von 61% Patienten mit Gruppenabbruch. Während die Autoren der beiden erstgenannten Studien dieses Problem nicht thematisieren, gehen Malan et al. und Grotjahn sehr offen und ausführlich hierauf ein und versuchen, ungünstig wirkende Einflüsse zu bestimmen.

Zum Verständnis der auffälligen Unterschiede muß sicher eine Vielzahl verschiedener Randbedingungen berücksichtigt werden, wie institutioneller Rahmen, Therapeutenerfahrung und angewandtes Konzept, um nur einige zu nennen. Es ist jedoch ersichtlich, daß durchgehend ein hoher Anteil der Gruppenpatienten das Behandlungsangebot nicht positiv für sich nutzbar machen kann. Mehrere Ursachen sind hierfür denkbar. Erstens wird die Empfehlung zur Gruppentherapie nicht selten eher von äußeren Umständen (langer Anfahrtsweg, berufliche oder familiäre Belastung) bestimmt und weniger von Wunsch und Bedarf des Patienten. Zweitens erfolgt die Indikation zur Gruppentherapie ja in einer Zweiersituation, so daß im Gegensatz zur Einzeltherapie die Arbeitsmöglichkeiten mit dem Patienten im angestrebten gruppen-analytischen Verfahren schwieriger einzuschätzen sind. Drittens wäre in Erwägung zu ziehen, inwieweit nicht möglicherweise eine negative Gegenübertragungsreaktion den Anamnestiker veranlaßt, einen Patienten in Gruppe zuzuweisen, anstatt sich in der Einzelsituation mit ihm auseinanderzusetzen. Viertens sind die patientenbezogenen Zuweisungskriterien für eine analytische Gruppenpsychotherapie noch nicht so differenziert, so daß Fehlentscheidungen eher möglich erscheinen. Dieser letztgenannte Gesichtspunkt, die Differentialindikation, besitzt in der täglichen Praxis große Bedeutung (König 1991) und soll im folgenden näher beleuchtet werden.



Selbst- und Selbstwerterleben bei Patienten mit hohem Abbruchrisiko

Empirische Befunde

Zu der Frage, welche Patienten es nun sind, die von einer Gruppentherapie wenig oder nicht profitieren können, gibt eine Studie von Dührssen (1986) Hinweise. In ihr werden drei psychoanalytische Behandlungs-methoden, nämlich analytisches Standardverfahren, dynamische Psychotherapie und analytische Gruppentherapie bezüglich anamnestischer und testpsychologischer (Gießen-Test, Gießener Beschwerde-bogen, FPI) Patientenvariablen vergleichend untersucht. Als Kontrollgruppe findet sich hier interessanter-weise ein Kollektiv von Patienten, die Gruppentherapie vorzeitig abgebrochen haben.

Es zeigt sich, daß diese Patienten in ihrer Selbsteinschätzung charakteristische Inhalte aufweisen. Sie beschreiben sich als besonders unattraktiv, unbeliebt, wenig geachtet, in ihrer Arbeitsleistung gering akzeptiert und wenig daran interessiert, sich zur Geltung zu bringen. Gerade hinsichtlich ihrer narzißtischen Bedürfnisse erscheinen Patienten, die eine Gruppe abgebrochen haben, besonders tief enttäuscht. Für Minderwertigkeitsgefühle geben sie die höchsten Markierungen an. Es ergibt sich jedoch ein weiterer auffälliger Aspekt. Im gleichen Erlebnisbereich waren die stärksten positiven Veränderungen durch Gruppentherapie zu erreichen. Dieser Befund ist im Gegensatz zu den beiden einzeltherapeutischen Verfahren statistisch hochsignifikant.

Auch hinsichtlich der von Erikson (1959) in den Kategorien Urvertrauen gegen Urmißtrauen sowie Autonomie gegen Scham und Zweifel beschriebenen fundamentalen, frühen oralen und analen Qualitäten des Kontaktverhaltens erleben sich Patienten mit vorzeitigem Ende einer Gruppenanalyse als besonders stark gestört. Sie beschreiben sich im Vergleich zu den übrigen Patienten als besonders verschlossen, mißtrauisch, retentiv und Anlehnungswünsche zurückhaltend. Ihr Erleben erscheint geprägt von einem Mangel an unbe-schwerter Aufgeschlossenheit und einer tiefen Angst vor einer feindlichen Umwelt, die mit Verachtung und Ausbeutung droht. Hier zeigt sich erneut, daß Gruppenabbrecher die ungünstigsten Ausgangsbefunde aufweisen, Patienten mit abgeschlossener Gruppentherapie andererseits jedoch die deutlichsten Ver-änderungen erreichen (statistisch ebenfalls hochsignifikant).

Darüber hinaus ergab die Durchsicht der Krankengeschichten dieser Patienten, daß sich in ihrer Lebensgeschichte fast immer beschämende Ereignisse fanden, für die man eine besonders hohe Hemm-schwelle in bezug auf Mitteilung vor einer größeren Gruppe vermuten mußte. Maßgeblich für die subjektive Bewertung dieser Inhalte war das Gefühl der Scham. Die genannten Daten betrafen sowohl mit Scham besetzte Persönlichkeitsmerkmale, die verschwiegen wurden, wie auch soziale Umstände in Kindheit und Frühgeschichte, schließlich aber auch Probleme mit der aktuellen Lebenssituation, die den Wert der Persönlichkeit grundsätzlich in Frage zu stellen schienen. Zu nennen wären hier beispielsweise Perversionen, kriminelle Handlungen, Geschwister- beziehungsweise Elterninzest sowie beschämendes Leistungsversagen.



Die Bedeutung der Scham in der analytischen Gruppenpsychotherapie

Die dargestellten Befunde belegen die weitreichende Relevanz von Scham und gestörter Regulation des Selbst- und Selbstwerterlebens für Verlauf und Ergebnis der gruppenanalytischen Behandlung.

Wurmser hat in mehreren Arbeiten (1981b, 1986, 1987, 1990), so in seinem grundlegenden Werk "The Mask of Shame" (1981a, 1990), das Problem der Scham sowohl in theoretischer als auch in klinischer Sicht umfassend dargelegt. Er verweist auf den engen Zusammenhang von Narzißmus und Scham und vermerkt die auffällig seltene Erwähnung des Schamaffekts angesichts der umfangreichen Literatur zum Thema Narzißmus. In klinischer Hinsicht beschränkt sich Wurmser auf den Rahmen des einzeltherapeutischen Settings. Das von ihm Dargestellte gilt jedoch in gleichem Maße für die Gruppenanalyse. Im Vergleich zu den Affekten Angst, Haß, Schuld oder auch Neid hat Scham hier bisher jedoch eher wenig Beachtung gefunden. Dies überrascht um so mehr, als es sich um eine exquisit soziale Emotion handelt, die im Kontext einer gefühlshaften Beziehung für die Aufrechterhaltung des Selbstkonzepts fundamental ist (Lewis 1971). Scham stellt nicht nur gemäß der Triebtheorie eine Reaktionsbildung gegen Abkömmlinge exhibitio-nistischer und skopophiler Natur dar, wie von Freud 1905 wegweisend in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie beschrieben (Freud 1905, 1908; Abraham 1913; Rank 1913; Nunberg 1932). Sie besitzt in der Selbstpsychologie grundlegende Bedeutung für die Regulation des Selbst- und Selbstwerterlebens (Morrison 1984). Im Spannungsfeld zwischen Selbsterwartung und Selbsterfahrung dient sie zum Schutz der Integrität des Kernselbst und der Wahrung der Identität (Erikson 1959; Lichtenberg 1983, 1989; Stern 1985).

Auf die Bedeutung des Ich-Ideals wird in diesem Zusammenhang erstmals von Piers und Singer (1953) hingewiesen. Sie beschreiben die Diskrepanz zwischen erlebtem Ich und Ich-Ideal als auslösend für Scham und grenzen sie so gegen Schuld ab, die auf einem Konflikt zwischen Ich und Über-Ich gründet. Während bei der Schuld mehr die Vorstellung einer körperlichen Bestrafung mit entsprechenden Beschädigungs-ängsten im Vordergrund steht (Wurmser 1981a,b), ist es bei der Scham die Furcht vor Zurückweisung, Verlassenwerden und existenzbedrohender Einsamkeit (Piers u. Singer 1953). Scham ist immer auf den

anderen hin ausgerichtet (Lewis 1987) und bedarf seiner phantasierten oder realen Gegenwart.

So wirkt Scham nach Izard (1977) im Sinne eines phylogenetisch erworbenen affektiven Reaktionssystems durch Sensibilisierung für die Empfindungen und Wertschätzung der anderen auch als wesentliche Kraft sozialer Anpassung und Kohäsion. Von dieser adaptiven Funktion der Scham ging Foulkes vermutlich aus, als er 1948 schrieb:

"Der eigentliche Grund, weshalb unsere Patienten in der therapeutischen Gruppe ihre normalen Reaktionen erstarken lassen und ihre neurotischen Reaktionen korrigieren können, liegt darin, daß sie kollektiv die eigentliche Norm, von der sie abweichen, konstituieren."

(Foulkes 1948)

Für Zusammenhalt, Tragfähigkeit und therapeutische Wirksamkeit einer Gruppe kann Scham ein starkes positives Moment sein. Unter behandlungstechnischen Gesichtspunkten begegnet sie uns vor allem als Motiv der Abwehr (Lewis 1986). Im besonderen gilt dies für die von Öffentlichkeit geprägte Situation der Gruppe, selbst wenn diese begrenzt und durch Diskretion sowie Anonymität abgesichert ist. Die von Seidler (1990) gewählte prägnante Beschreibung der Scham als eines "Schnittstellenaffektes" erscheint in diesem Zusammenhang sehr treffend, werden doch Gefühle des Getrenntseins oder Andersseins hier besonders intensiv und schmerzlich erlebt.

Scham oder ihre Antizipation kontrolliert die Bereitschaft des Patienten zur Selbstmitteilung. Sie schränkt eben diese Mitteilungsbereitschaft ein und beeinträchtigt, so das für Foulkes (1964) zentrale Geschehen im gruppenanalytischen Prozeß, die freie Kommunikation, welche jedem anderen therapeutischen Agens erst den Weg bahnt. Die analytische Bearbeitung schamvermittelten Widerstands erhält somit im Behandlungs-prozeß besonderes Gewicht.

Eine der ersten und wichtigsten Fragen, die jeder Patient sich zu Beginn einer Gruppenbehandlung stellt, und die er im Verlauf immer wieder für sich klären muß, ist die nach der Vertraulichkeit. Was geschieht mit dem vor vielen Augen und Ohren Preisgegebenen? Eine Reihe von Analytikern (Roggemann 1984; Köhler 1985) spricht aus diesem Grunde jedem Teilnehmer gegenüber in der Vorbereitungsphase eine Schweige-verpflichtung aus. Andere wiederum haben gute Erfahrungen damit gemacht, die Patienten in dieser Richtung eigene Regeln entwickeln zu lassen (König 1979). Jedenfalls warten viele Patienten aufgrund beklemmender Schamgefühle lange Zeit, bevor sie überhaupt einen Therapeuten aufsuchen. Manche haben bereits mehrere Therapieversuche unternommen, ohne über die für sie drängenden und beschämenden Dinge sprechen zu können. Einige haben das, was sie bedrückt und zum Analytiker führt, noch nie in ihrem Leben einer anderen Person anvertraut. Die mit tiefer Scham verknüpfte quälende Überzeugung von der persönlichen Einzigartigkeit der Symptomatik, der Konflikte und der eigenen Minderwertigkeit ist im Erleben dieser Patienten häufig ein wesentliches Moment. Für den Fall einer Offenbarung wird von den idealisierten anderen verächtliche Zurückweisung, vernichtende Bestrafung und grausame Verstoßung phantasiert und erwartet. Malan et al. (1976) weist in seiner kritischen Evaluationsstudie zur analytischen Gruppenpsychotherapie diesbezüglich auf bestimmte übereinstimmende Angaben der Patienten bei Katamnese hin. Ganz überwiegend werden als entscheidende Erfahrungen geschildert, die Erkenntnis, nicht schlechter zu sein als die anderen, die Entlastung, sich offenbaren zu können und das Erlebnis, von den anderen im Umgang mit den eigenen Schwierigkeiten gelernt zu haben. Für den Therapieerfolg messen die interviewten Patienten der Erfahrung, mit dem eigenen Elend nicht allein zu sein und trotz der Offenbarung eigener negativer Identität weiterhin in der Gruppe dazuzugehören, einen überragenden Stellenwert bei. Wir sehen, daß es sich hierbei um Inhalte handelt, die mit Schamkonflikten und ihrer Verarbeitung auf das engste verbunden sind.


Zum weiteren Verständnis der Scham und ihrer Relevanz für die dynamischen Prozesse in der Gruppe sind die Ergebnisse der Emotions- und Kommunikationsforschung von hohem Interesse. Es hat sich gezeigt, daß gerade die nichtsprachliche Interaktion für Informationsübermittlung und -austausch in ganz zentralen Persönlichkeits- und Erlebnisbereichen von ausschlaggebender Relevanz ist (Scherer 1979). Die wichtigste Rolle übernimmt hierbei das menschliche Gesicht. Seine alles überragende Bedeutung für die Kommu-nikation von Affekten wird durch die auf Darwins klassischer Arbeit The expression of emotion in man and animals (1872) beruhenden emotionspsychologischen Untersuchungen von Ekman (1972) belegt. Sie zeigen, daß etwa acht primäre Emotionen (Interesse, Freude, Überraschung, Furcht, Ärger, Traurigkeit, Ekel und Verachtung) durch genetisch festgelegte neuromuskuläre Mechanismen zu spezifischen mimischen Mustern führen, die von Beobachtern mit hoher Genauigkeit zugeordnet werden können. Nach Ansicht zahlreicher Autoren, so Izard (1977) und Tomkins (1962) stellt auch Scham eine solche primäre Emotion dar. Allerdings nimmt sie insoweit eine Sonderstellung ein, als sie in der Ontogenese etwas später aufzutauchen scheint, starken sozialisatorischen Einflüssen unterliegt und einen bestimmten kognitiven Entwicklungsstand voraussetzt (Geppert u. Heckhausen 1990). Bischof-Köhler (1989) fordert in diesem Zusammenhang als Kriterium für die Entstehung eines konzeptuellen Selbst beispielsweise die Fähigkeit zum Selbsterkennen im Spiegel. Hiervon abweichend sieht Tomkins (1962, 1963) Scham als schon früh im ersten Lebensjahr arbeitenden Affekt, der die Gefühle Interesse und Freude reguliert. Dies geschieht in Analogie zur Inhi-bierung des Hungers und den Ekel. In Anlehnung an Tomkins beschreibt Nathanson (1987) eine bereits in der Säuglingszeit funktionierende primitive Form der Scham, von ihm "Proto"-Scham genannt, die als auxiliärer Affekt dazu dient, ggf. den fazialen Ausdruck jedes anderen Gefühls zu unterbrechen, insbesondere im Bereich der positiven Emotionsskala. Diese Urform der Scham besäße somit einen zentralen Stellenwert in der Regulation der frühen Selbst-Objektbeziehung, stellt doch das Erkennen und Teilen des Gefühlsausdrucks im Gesicht während der Blickdialoge zwischen Mutter und Kind die erste Form der Kommunikation dar (Basch 1983; Stern 1985). Im regressiven Prozeß einer Gruppenanalyse mit ständiger Möglichkeit fazialer Affektkommunikation käme der Scham und ihren möglichen Vorläufern außerordentliche Bedeutung zu.

Die Darstellung des Selbst im sozialen Feld erfolgt zum größten Teil nonverbal mittels Mimik, Gestik, Haltung und Habitus (Argyle 1979). Dies betrifft den gesamten Bereich des Selbsterlebens einschließlich sozialer Rollen bezüglich Beruf, Schicht, Religion und Persönlichkeitsqualitäten wie Attraktivität oder Intelligenz. Hinzu kommt das Gebiet des Erlebens von Selbstwert- und Selbstachtung vor dem Hintergrund des Ich-Ideals. Die gruppentherapeutische Situation mit Anwesenheit mehrerer anderer, und die im Gegensatz zum klassischen Setting zugewandte, Beobachtung von Angesicht zu Angesicht zulassende Sitzordnung führen zu einer deutlichen Verstärkung des Schamerlebens. Mit der Möglichkeit multipler face-to-face-Interaktionen gibt die gruppenanalytische Behandlung so Raum für eine umfassende Entfaltung und Analyse diesbezüglicher Konflikte. Wurmser (1986) benutzt in diesem Zusammenhang die eindrucks-volle Formulierung von der Last der "tausend unbarmherzigen Augen" (Wurmser 1986). In der Scham-reaktion fühlt sich das erlebende Ich den übermächtigen Blicken einer idealisierten Instanz ausgesetzt und erfährt sich als öffentlich exponiert, entblößt und erniedrigt (Lynd 1958). Auch die zwanzig Augen einer Gruppe können grausam und vernichtend sein. Die Angst, "das Gesicht zu verlieren", den Sitz der Identität, kann hier leibnah und fast wörtlich erlebt werden (Krause 1990).

Die bisher eher geringe Berücksichtigung des Schamaffekts im Rahmen der Gruppenanalyse wird möglicherweise durch eine ihm innewohnende Tendenz verständlich. Vermutlich entzieht sich Scham durch das Reaktionsmuster von sozialem Rückzug, sich verbergen und sich Abwenden häufig dem Bemerktwerden durch den anderen. Die Demutsgeste, das Senken des Blicks, der Kontaktabbruch erscheint als einzige Möglichkeit, den unerträglichen narzißtischen Schmerz zu beenden. Dieser Impuls, "in den Boden versinken zu wollen", wird im Märchen vom "Rumpelstilzchen" in charakteristischer Weise dargestellt (Seidler 1990). Kennzeichnend ist, daß der durch Scham bedingte Abbruch des Kontakts oder seine Rarifizierung in der Regel eher unauffällig erfolgt. Auch im bewußten Erleben manifestieren sich Schamaffekte vergleichsweise selten (Lewis 1971; Wurmser 1981b). Darüber hinaus unterliegt die Expression des Gefühls Scham wie bei kaum einem Affektausdruck Peinlichkeitsgefühlen und Vermeidungstendenzen (Izard 1977). Im Vergleich zu anderen Gefühlen erscheint die Hemmschwelle bezüglich der mimischen, gestischen, posturalen oder sprachlichen Expression von Scham besonders hoch. Hier sind wahrscheinlich Wirkungen kulturspezifischer Affektsozialisation (Krause 1983) in Betracht zu ziehen, die das Zeigen von Scham verpönt und bedrohlich erscheinen lassen. Auch im bewußten Erleben manifestieren sich Schamaffekte vergleichsweise selten. Noch stärker als im einzeltherapeutischen Setting muß der Therapeut in der Gruppenanalyse mit der unbewußten Tendenz des Patienten rechnen, Schamgefühle zu verbergen, diesbezügliche Vorstellungen und Phantasien nicht mitzuteilen und entsprechende Konflikte außerhalb der Übertragungsbeziehung zu halten. Es besteht somit die Gefahr, daß diese gesamte Thematik leicht der analytischen Bearbeitung entgeht. Für Erfolg oder Mißerfolg, insbesondere in der analytischen Gruppentherapie, scheint dies jedoch von grundlegender Bedeutung.



Klinisches Fallbeispiel

Dies soll an dem Fall eines Patienten illustriert werden, der bei mir in analytischer Gruppenpsychotherapie war. Der bei Anamnese 34jährige Patient stellte sich wegen depressiver Verstimmungen, Minderwertigkeitsgefühlen und Arbeitsstörungen vor. Nachdem er jahrelang in verschiedenen Branchen als Hilfsarbeiter tätig gewesen war, befand er sich zum Zeitpunkt der Therapie in Umschulung zum Werkzeugmacher.

In der Kindheit war der Patient bald nach der Einschulung wegen eines offenbar neurotisch bedingten Leistungs-versagens von der Regelschule zur Sonderschule gewechselt. Der unter starken Schamgefühlen im Erstinterview und den folgenden Sitzungen mitgeteilte, bisher so wenig erfolgreiche Lebensweg kontrastierte deutlich mit der stattlichen Erscheinung des Patienten und seiner differenziert und durchaus auch einnehmend wirkenden Persönlichkeit.

Im Therapieverlauf nahm der Patient zwar aktiv und von den anderen akzeptiert am Gruppengeschehen teil, verschwieg jedoch sein bisheriges Versagen bezüglich Leistung, Beruf und Geltung konsequent. Der Patient verließ ohne vorherige Ankündigung nach der 17. Sitzung die Gruppe, um sich erst nach Anschreiben durch mich noch einmal telefonisch zu melden. Hierbei erfuhr ich, daß der Patient kurz vor seinem Ausscheiden durch die theoretische Abschlußprüfung seiner Umschulung gefallen war. Zu meinem Bedauern nahm der Patient mein Angebot weiterer Gespräche nicht an. In Form heftiger Anklagen und Vorwürfe teilte er mir seine tiefe Enttäuschung an Gruppe und Gruppenleiter mit und hinterließ bei mir ein wohl seiner unbewußten Innenbefindlichkeit entsprechendes Gefühl von Insuffizienz und Gescheitertsein. Rückblickend kann gesagt werden, daß der Patient in Abwehr tiefer Schamgefühle nicht in der Lage war, in der Gruppe den Konflikt zwischen seinem Ideal-Selbst und seinem Real-Selbst zu bearbeiten. Er verließ die Gruppe in dem sicherlich auch zutreffenden Gefühl eines nicht angemessenen Therapie-angebots, verbuchte den gesamten Ablauf in tieferer Schicht jedoch wohl erneut als schwere persönliche Niederlage.



Überlegungen zur Praxis

Kehren wird zu den oben dargestellten Befunden zurück. Es zeigt sich wie ausgeführt, daß Patienten mit den gleichen Zuschreibungen wie Gruppenabbrecher, wenn auch weniger ausgeprägt, gerade von der analytischen Gruppentherapie vergleichsweise besser profitieren als von einer Einzelbehandlung. Dies betrifft die Skalen soziale Resonanz, soziale Potenz und Durchlässigkeit im Gießen-Test sowie die Frage nach Minderwertigkeitsgefühlen im erweiterten Gießener Beschwerdebogen. Es scheint sich also die Frage zu stellen, wann ein Patient in seinem Selbst- und Selbstwerterleben so schwer gestört ist, daß er das Angebot einer Gruppentherapie noch nicht für sich nutzen kann und ab wann er für dieses, möglicherweise gerade für ihn sehr günstige Verfahren, geeignet erscheint.

An dieser Stelle möchte ich auf die oben genannte, 1976 von Malan et al. aus der Tavistock-Klinik vorgelegte Studie zur analytischen Gruppenpsychotherapie verweisen. Es handelt sich um eine der erwähnten wenigen kontrollierten Studien über ambulante analytische Langzeittherapie neurotisch erkrankter Patienten. Sie kommt für die Tavistock-Klinik zu einem enttäuschenden Ergebnis. Katamnestisch zeigt sich praktisch kein Unterschied zwischen Patienten, die eine über zweijährige Therapie absolviert haben und solchen, die sie innerhalb von sechs Monaten abbrechen. Sehr kritisch setzen sich die Autoren mit dem dort praktizierten Bionschen Konzept der Gruppentherapie (Bion 1961) und seinen Weiterentwicklungen durch Ezriel (1950) und Sutherland (1952) auseinander. Sie problematisieren zum einen die geforderte strenge Abstinenz, zum anderen die starke Priorität der Gruppe vor dem einzelnen, wobei die Gruppe insgesamt als einem Einzelpatienten entsprechende Einheit gesehen und behandelt wird. Darüber hinaus wird die weitgehende Beschränkung auf' Übertragungsdeutungen mit Konzentration auf das Hier und Jetzt unter Vernachlässigung der genetischen Rekonstruktion kritisch angesprochen. Ohne hier auf die damit tangierten grundlegenden Fragen des angewandten gruppenanalytischen Konzeptes näher eingehen zu können, möchte ich einen von den Autoren eher nebenbei gefundenen, von ihnen jedoch nachdrücklich betonten Befund erwähnen. Im Gegensatz zu den sonst sehr enttäuschenden Ergebnissen erzielten Patienten mit vorhergegangener unterschiedlich langer Einzeltherapie vergleichsweise erheblich bessere Ergebnisse als solche, die allein Gruppentherapie erhalten hatten.

Wir kommen hier zu einem entscheidenden Punkt in der Praxis der Gruppenpsychotherapie, nämlich der Handhabung von Vorbereitung und Einleitung der Behandlung. Die Bedeutung dieser Behandlungsphase wird durch die Tatsache unterstrichen, daß es sich bei dem weitaus größten Teil der vorzeitig ausscheidenden Patienten um Frühabbrecher handelt. In der Untersuchung von Stille (1984) verlassen 43% der abbrechenden Patienten die Gruppe bis zur 10. Sitzung, 96% bis zur 50. Sitzung.

Eine wesentliche Rolle spielt hierbei sicherlich die Tatsache, daß das Angstniveau bei Patienten, die eine Gruppentherapie beginnen, in der Regel deutlich höher liegt als bei solchen, die eine Einzelbehandlung aufnehmen. Freud hat bereits 1921 ausführlich auf die "Steigerung der Affektivität" und die eindrucksvolle "Regression der seelischen Tätigkeit" in der Masse, worunter er auch die Kleingruppe verstand, hingewiesen. Battegay (1971) beschreibt dieses in der Gruppenanalyse äußerst wichtige Phänomen unter therapeutischem Aspekt und spricht von der "Verstärkerwirkung der Gruppe auf die Gefühle". Mit dem Problem der intensiven Angst zu Behandlungsbeginn in der Gruppe befaßt sich insbesondere auch Van der Kleij (1985). Inhalt dieser Ängste sind neben Phantasien von Vereinnahmung, Unterwerfung, physischer Beschädigung o. ä., insbesondere in Zusammenhang mit dem Schamerleben stehende Befürchtungen von Entblößung und Demütigung sowie verächtlicher Zurückweisung und vernichtender Ablehnung durch die Gruppe. Patienten mit starken Schamkonflikten sowie gestörtem Selbst- und Selbstwerterleben neigen dazu, aufgrund des so motivierten hohen Widerstands, die Therapie in der Frühphase abzubrechen.

Für Heigl-Evers (1970, 1971) ist die Beachtung der Toleranzgrenze eine unerläßliche Forderung im Hinblick auf die Indikation zur analytische Gruppenpsychotherapie. Sie empfiehlt, in jedem Fall zu klären, ob der Patient die für ihn günstige Gruppensituation schon verträgt, oder ob er noch den Schutz einer dyadischen Beziehung braucht. Aus diesem Grunde hält Heigl-Evers eine angemessene einzeltherapeutische Vorbehandlung für günstig und mißt der Wahl des Zeitpunkts für die Aufnahme der Gruppentherapie große Bedeutung bei. Auch König (1974, 1979) vertritt dieses Vorgehen und betont den Wert der Vorgespräche vor allem bezüglich der Initiierung einer Arbeitsbeziehung zwischen Arzt und Patient schon vor Beginn der Gruppensitzungen.

Gerade bei Patienten mit ausgeprägten Schamgefühlen und beeinträchtigter Selbstwertregulation erscheint es vorteilhaft, bereits vor der eigentlichen Gruppensituation eine positive Übertragungsbeziehung anzustreben und der Herstellung eines tragfähigen Arbeitsbündnisses besondere Beachtung zu schenken. Die oben dargestellten Befunde und Ergebnisse legen es m. E. nahe, bereits in der Vorbereitungsphase im Rahmen einzeltherapeutischer Sitzungen ggf. Scham- und Minderwertigkeitskonflikte zu thematisieren und beginnend zu bearbeiten. Es scheint, als könne eine größere Anzahl von Patienten durch eine sorgfältige

Einführung in Form vorgeschalteter Einzelgespräche mit Zentrierung auf die genannten Inhalte in die Lage versetzt werden, das für sie besonders hilfreiche, zunächst jedoch überfordernde Verfahren der analytischen Gruppenpsychotherapie für sich nutzbar zu machen.

Wie für den Einzeltherapeuten sollte für den Gruppenanalytiker eine zugewandte, von Wertoffenheit und Bedachtsamkeit getragene Haltung (Thomä u. Kächele 1988) mit guter Kenntnis von Biographie und Lebenssituation des einzelnen Patienten ein grundlegendes Element der analytischen Arbeit sein, stellt doch nach Foulkes (1964) auch die gruppenanalytische Behandlung das Individuum in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, selbst wenn ihr Bezugsrahmen die Gruppe als dynamisches Ganzes ist.

 

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Dr. med. Bernhard Palmowski