Praxis für Psychosomatische Medizin
Psychotherapie - Psychoanalyse


Dr. med. Bernhard Palmowski, Berlin

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Ärztliche Psychotherapie (2012) 7

Ärztliche Psychotherapie und Psychosomatische Medizin

© Schattauer 2012

Psychosomatische Medizin und Orthopädie

Grußwort zum zwanzigjährigen Bestehen der 
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit Schwerpunkt Orthopädie
im Helios-Klinikum Emil von Behring, Berlin

B. Palmowski


Mit großer Freude beglückwünschen die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) und die Akademie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (APM) das Behring-Krankenhaus zum zwanzigjährigen Bestehen seiner Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit Schwerpunkt Orthopädie. Wir haben es hier mit einer echten Erfolgsgeschichte zu tun. In den 20 Jahren ihres Bestehens ist diese Klinik unter der Leitung von Helmut Albrecht zu einem Flaggschiff in der psychosomatischen und medizinischen Versorgung nicht nur in Berlin sondern in der gesamten Region geworden. Diese äußerst erfolgreiche Entwicklung ist ebenso sehr das Ergebnis engagierter und hochkompetenter Patientenbehandlung wie auch eines überzeugenden stationären Versorgungskonzeptes.

Drei wesentliche Momente lassen sich hierbei erkennen. Wichtigste Grundlage des Erfolges ist selbstverständlich die kontinuierliche hervorragende Versorgung der Kranken. Zahlreiche Mitteilungen von nach ihrer Entlassung in den psychosomatischen Praxen weiterbehandelten Patienten, belegen, dass diese sich hier in der Klinik nicht nur medizinisch-fachlich sondern auch menschlich äußerst gut aufgehoben gefühlt haben. Oft wird auch Dankbarkeit spürbar, dass so der nicht selten lange und komplizierte Weg in eine längerfristige ambulante psychosomatisch-psychotherapeutische Betreuung eröffnet werden konnte. Dieser vorbildliche Dienst am Patienten ist sicherlich das wesentlichste Fundament des Erfolges.

Ein weiteres grundlegendes Moment findet sich in der Veränderung der Morbidität, die wir in den letzten Jahren nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in sämtlichen westlichen Industrienationen beobachten.

Der Gesundheitsreport der GEK von 2010 ergibt für die Arbeitsunfähigkeitstage der Versicherten einen Anteil von 22,6% für Erkrankungen des Bewegungsapparates, Kapitel M Orthopädie. Bereits an zweiter Stelle finden sich mit 16,5% psychische und psychosomatische Erkrankungen. Bemerkenswert ist hier auch die Dynamik im Längsschnitt, es findet sich eine geradezu dramatische Entwicklung. In den die letzten zehn Jahren, also von 2000 bis 2010, ist es zu einer Verdoppelung der Diagnosen aus Kapitel F als Ursache von Arbeitsunfähigkeit gekommen. Darüber hinaus weisen psychische und psychosomatische Erkrankungen ein hohes primäres Chronifizierungsrisiko auf. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bei Vorliegen einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung liegt mit 41,8 Tagen pro Fall an der Spitze sämtlicher Erkrankungsgruppen, noch vor den malignen Erkrankungen mit 39 Tagen.

Eine ähnliche Konstellation zeigt sich bei der Erwerbsunfähigkeit. Hier finden wir das gleiche Doppel aus orthopädischen und psychischen Erkrankungen ganz vorn, allerdings in umgekehrter Reihenfolge. An erster Stelle rangieren in der Liste der Rentenzugänge wegen verminderter Erwebsfähigkeit mit weitem Abstand psychische Störungen. Diese machten 2010 nach den Zahlen der Deutschen Rentenversicherung mit 45,6% bei weitem den größten Anteil aus. Gefolgt wurden sie mit 14,3% von den orthopädischen Erkrankungen. Genau an dieser Schnittstelle zwischen psychischen und orthopädischen Erkrankungen, also im Zentrum des Morbiditätsgeschehens, liegt der Versorgungsauftrag der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit Schwerpunkt Orthopädie.

Die hohe gesundheitspolitische Relevanz dieses Behandlungsangebotes wird darüberhinaus auch durch unsere eigenen Zahlen belegt, die sich aus den Daten des Dokumentationssystems ergeben, dass wir im Rahmen der ambulanten Versorgung einsetzen. Seit einigen Jahren erfassen wir das ambulante Versorgungsgeschehen in der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie mit einem kontinuierlich laufenden Dokumentationsinstrument (DSP). Es bildet die soziodemografischen Merkmale, die Morbidität, das subjektive Krankheitserleben, und den Leistungsbedarf der Patienten ab. Bezüglich der diagnostizierten Erkrankungen zeigt sich eine fast hälftige Verteilung der Morbidität mit 54% psychischen / psychosomatischen Diagnosen einerseits und 46% somatischen Diagnosen andererseits. Größte Diagnosegruppe im somatischen Bereich stellen mit nahezu 20 % der Kodierungen auch hier die muskulo-skelettären Erkrankungen nach Kapitel M der ICD 10. Die von den Kostenträgern angegebene Prädominanz psychischer und orthopädischer Erkrankungen zeigt sich also auch in der ambulant versorgten Patientenpopulation der Psychosomatischen Medizin. Unterschiedliche Quellen belegen somit die hohe Prävalenz dieser beider Erkrankungsgruppen und unterstreichen eindrucksvoll den umfassenden Versorgungsauftrag der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit Schwerpunkt Orthopädie.

Nur am Rande sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass diese Morbiditätssituation auf die Dauer nicht ohne Konsequenz für die inhaltliche Ausgestaltung der Facharztweiterbildung im Gebiet Psychosomatische Medizin und Psychotherapie bleiben kann. Im Hinblick auf eine angemessene Patientenversorgung sind eingehende Kenntnisse und Erfahrungen in der Orthopädie von erheblicher Bedeutung. Dieses Gebiet ist künftig in der Weiterbildung erheblich stärker zu berücksichtigen und wir sollten Assistenzärzten entsprechende Angebote machen.

Das dritte Moment betrifft weniger statistische oder epidemiologische Aspekte als vielmehr den unmittelbaren ärztlichen Zugang zum Patienten. Früh wurden in der Orthopädie in großem Maßstab die bildgebenden Verfahren wie Computertomographie und später die Kernspintomographie eingesetzt. Heute wissen wir, dass die Korrelation zwischen dem scheinbar objektiven Befund des Bildes und der realen Befindlichkeit des Patienten nur äußerst lose ist. In seiner eindrucksvollen Arbeit, publiziert im NEJM, hat Jensen gezeigt, dass ein großer Teil der gesunden Normalbevölkerung dezidiert pathologische Befunde aufweist. In einer Stichprobe vollkommen beschwerdefreier Probanden fanden sich bei ca. zwei Drittel ein breites Spektrum leichter bis gravierender Pathologica vom Diskuseinriss über die Protrusion bis zum Prolaps und der Herniation, dies wohlgemerkt, ohne jegliche subjektive Symptomatik. Spiegelbildlich hierzu finden sich bei bis zu 40 % der Patienten mit aktuellen oder kürzlich bestehenden Beschwerden in den bildgebenden Verfahren Normalbefunde. Dieser, vorsichtig formuliert, äußerst lockere Zusammenhang zwischen objektivem und subjektivem Bild unterstreicht die grundlegende Bedeutung des konkret und persönlich erhobenen klinischen Befundes durch den behandelnden Arzt einschließlich der differenzierten Erfassung des psychosozialen Hintergrundes des Patienten. Diese Herausforderung ist unser Job. Es braucht in vielen Fällen sowohl die fundierte somatische wie auch die fundierte psychotherapeutische Kompetenz, eben genau jene Doppelkompetenz, die der Facharzt für Psycho-Somatische Medizin besitzt. Wir sehen, es gibt viel zu tun. Packen wir's an, am besten gemeinsam.

Wir wünschen der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit Schwerpunkt Orthopädie im Helios-Klinikum Emil von Behring auch für die nächsten Jahrzehnte viel Erfolg und alles Gute!

 

Bernhard Palmowski, Berlin