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Rundfunk Berlin-Brandenburg: QUIVIVE, 10.02.2010
THEMA: DEPRESSION
Depressionen erkennen und heilen
Vier Millionen Deutsche leiden an
einer Depression, die behandlungsbedürftig wäre. Aber nur jeder Dritte wird
richtig therapiert. Häufig scheuen sich Betroffene, einen Arzt aufzusuchen.
Oder ihr Umfeld reagiert unsensibel, wenn es dazu ermuntert, das Leben doch
nicht so schwer zu nehmen. Im Gegensatz zu einem Stimmungstief handelt es sich
bei einer Depression aber mitunter um eine lebensgefährliche Erkrankung. Wie
unterscheidet man einen Seelen-Blues von einer schweren Depression, wo gibt es
Hilfe und Heilung?
Das Leben ist grauenvoll, nichts macht mehr Spaß, negative Gedanken und Gefühle
beherrschen die Stimmung, alles wird sinnlos und leer, ein Alltag scheint unmöglich
– wenn Menschen sich über längere Zeit in so einem Zustand befinden, ist es
wahrscheinlich, das sie an einer schweren psychischen Störung leiden: an einer
Depression. Nicht erst seit dem Tod des Fußballers Robert Encke ist die
Depression hierzulande als ernste Erkrankung bekannt. In den westlichen
Industrienationen ist die Depression das zweithäufigste Leiden nach den
Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dennoch ist der Umgang mit diesem Krankheitsbild
immer noch unbefriedigend und oft unzureichend. Die Depression wird häufig
unterschätzt, als Einbildung abgewehrt oder ganz tabuisiert.
Depression ist nicht gleich Depression
Jeder Mensch ist mal verstimmt, antriebslos oder traurig. Anders als bei
Depressiven vergehen diese Stimmungsschwankungen aber nach ein paar Tagen
wieder. Eine depressive Erkrankung kündigt sich hingegen oft über eine längere
Zeit an, manchmal vergehen Jahre, bis die Diagnose gestellt wird. Früher
unterschieden Experten vor allem zwischen der psychogenen und der endogenen
Depression, also seelisch oder körperlich bedingt. Nach aktuellen
wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die Depression heute nach ihrer Schwere
(leicht, mittelgradig, schwer) und dem Verlauf der Erkrankung bewertet.
Am häufigsten leiden Depressive unter der so genannten Major Depression. Sie
tritt in jedem Alter auf und ist bei Frauen häufiger als bei Männern. Die
Major Depression muss umgehend professionell behandelt werden, sonst droht
Suizid, und tatsächlich bringen sich etwa 10 bis 15 Prozent aller Betroffenen
ohne kompetente Behandlung um. Unter den etwa 11.000 Menschen, die sich in
Deutschland jährlich suizidieren, hatte Schätzungen von Experten zufolge fast
jeder zweite eine nicht diagnostizierte oder falsch behandelte Depression.
Weiterhin unterscheiden Ärzte die minore Depressionsform, die bipolare Störung,
die zyklothyme Störung, die Dysthymia sowie die saisonal abhängige Depression
(SAD). Dabei klagen Patienten vor allem in den dunklen Herbst- und Wintermonaten
über anhaltende depressive Symptome und Verhaltensänderungen. Diese klare
Unterteilung ist wichtig, damit Ärzte für jeden Patienten die passende
Behandlung finden.
Es gibt viele wirksame Therapien
Grundsätzlich ist die Depression heute eine gut behandelbare Erkrankung.
Professionelle Hilfe durch den Arzt gibt den Betroffenen nicht nur Lebensmut und
ihren Alltag zurück, für viele ist die Therapie lebensrettend. Doch ob
Psychotherapie, Antidepressiva oder Naturheilmittel: Das Angebot an Behandlungsmöglichkeiten
gegen Schwermut ist riesig, und nicht alles wirkt zuverlässig. Wichtig ist,
dass Betroffene zusammen mit dem Arzt eine entsprechende Auswahl treffen.
Bei leicht bis mittelgradigen depressiven Störungen empfehlen Experten zunächst
eine psychotherapeutische Betreuung. Sowohl in der Verhaltenstherapie als auch
in der Psychotherapie wird der Patient nicht passiv behandelt, sondern aktiv mit
einbezogen. Der Therapeut hilft ihm, selbst Möglichkeiten zu finden, um die
Beschwerden zu überwinden. Die Dauer der Behandlung ist dabei abhängig von der
Schwere der Depression und vom Umfeld des Patienten. Begleitend kommen Angebote
wie Ergo- oder Maltherapie zum Einsatz.
Antidepressiva beeinflussen Botenstoffe im Gehirn
Schwere depressive Störungen werden zusätzlich medikamentös therapiert.
Wichtig dabei: individuell für jeden Patienten das wirksamste Medikament zu
finden. In der modernen Antidepressionstherapie kommen so genannte tri- und
tertrayzyklische Antidepressiva sowie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
zum Einsatz. Auf verschiedenen Wegen verstärken sie die Wirkung der Botenstoffe
Noradrenalin und Serotonin im Gehirn.
Doch das Spektrum der therapeutischen Möglichkeiten ist damit noch nicht
ausgereizt. Zum Beispiel kommen Naturheilmittel wie Johanniskraut zum Einsatz. Für
das Kraut ist wissenschaftlich belegt, dass es in entsprechend hoher Dosierung
gegen Depressionen wirksam ist. Die meisten freiverkäuflichen Präparate
enthalten allerdings zuwenig Johanniskraut.
Seit 15 Jahren wird außerdem in einigen Kliniken die so genannte transkranielle
Magnetstimulation (TMS) eingesetzt. Studienergebnisse weisen darauf hin, dass
die TMS vor allem bei jüngeren Patienten und solchen mit chronisch depressiver
Verstimmung, wie der Dysthymia, wirksam ist.
Umstrittene Stromstöße
Weitaus umstrittener ist die Behandlung mit Stromstößen, die so genannte
Elektrokonvulsionstherapie (EKT). Die Behandlung erfolgt in Vollnarkose. Dabei
wird durch elektrische Energie ein epileptischer Anfall beim Patienten ausgelöst.
Der Krampf regt die Ausschüttung von Botenstoffen im Gehirn an und mindert so
die Depression. Diese Methode wird jedoch nur eingesetzt, wenn andere Therapien
keinen Erfolg gebracht haben.
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